„Solidarität ist keine Einbahnstraße!“

Warum die Wiedereinführung des sogenannten Nachholfaktors für mehr Gerechtigkeit zwischen den Generationen sorgt.

BildBundesarbeitsminister Hubertus Heil hat vor Ostern sein Gesetz für Verbesserungen bei der Rente vorgelegt. In einem wesentlichen Teil geht es darum, wie die Renten künftig an die Lohn- und Gehaltsentwicklung angepasst werden.

„Aus unserer Sicht führt vor allem die Wiedereinführung des sogenannten Nachholfaktors in Kombination mit einer ‚Haltelinie‘ zu einer gerechteren Verteilung der Kosten für höhere Renten“, sagt Thomas Neumann, der Präsident des Bundesverbandes der Rentenberater e.V.

Die Rentengarantie sorgt für Klarheit und sichert die Leistungsempfänger ab. Sofern sich aus der Anpassungsformel eine Rentenkürzung ergeben würde, wirkt sie als Sicherung. Gleichzeitig ist es aber vollkommen richtig, die Nutznießer dieser Sicherungsfunktion an den Kosten zu beteiligen. Zukünftige Rentenerhöhungen fallen entsprechend niedriger aus, sofern sich das Rentenniveau oberhalb der Haltelinie von 48 % bewegt. Bezugspunkt ist dabei die typisierte Rente nach 45 Beitragsjahren mit durchschnittlichem Verdienst. 

„Gerade in Gesprächen mit der Rentner- oder auch der rentennahen Generation erleben wir, dass diese gar keine Sondervorteile zulasten der zukünftigen Beitragszahlerinnen und -zahler wollen“, erklärt Neumann.

Rentenanpassung über ‚vorausgeschätztes Durchschnittsentgelt‘ und Nachholfaktor nun ohne Übertreibungseffekt

Ein weiteres Element der Rentenanpassung ist der Nachhaltigkeitsfaktor. Für seine Berechnung wird erstmals auf aktuelle Daten zur gesamtwirtschaftlichen Lohnänderungsrate zurückgegriffen – dem ,vorausgeschätzten Durchschnittsentgelt‘.

Die Einführung des ‚vorausgeschätzten Durchschnittsentgelts‘ führt nicht nur dazu, dass in 2022 die Renten um 5,35 % statt 4,74 % erhöht werden (bzw. 6,12 % statt 5,5 % in den neuen Bundesländern), sondern trägt auch zur Glättung der Rentenwertänderungen in den Folgejahren bei. 

Die grundsätzliche Kombination dieser beiden Maßnahmen ist aus Sicht des Bundesverbandes der Rentenberater e.V. gut gelungen. Ein weiteres starkes Argument: Die Rentenanpassung hat nun einen konkreteren Bezug zur aktuellen Lohn- und Gehaltsentwicklung.

Bisher gab es bei Rentenanpassungen eine zeitliche Verschiebung mit Übertreibungseffekten. Sie bezogen sich auf Durchschnittsentgelte, die einige Jahre zuvor erhoben wurden. D.h. aktuelle Rentenanpassungen wurden immer aus der Vergangenheit argumentiert und durch die Berechnungsformel in die ein oder andere Richtung übertrieben. Sie konnten damit weder sachlich noch intuitiv mit aktuellen Lohnentwicklungen in Einklang gebracht werden.

Pauschale Erhöhung der Erwerbsminderungsrenten 

Erfreulich finden die Rentenexperten die Verbesserungen bei der Erwerbsminderungsrente. Vor allem für Leidtragende der sogenannten Stichtagsregelung bei früheren Änderungen. Hier hatte der Bundesverband schon mehrfach Nachbesserungen gefordert.

Diese Benachteiligung wird nun kompensiert. Betroffene erhalten pauschale Zuschläge in Höhe von 7,5, % und zwar bei Eintritt der Erwerbsminderung zwischen 2001 und 2014. Wer zwischen 2014 und 2018 aus gesundheitlichen Gründen aufhören musste zu arbeiten, erhält eine pauschale Erhöhung von 4,5 %.

„Dass das erst ab 2024 umgesetzt wird, ist völlig unbefriedigend“, sagt Thomas Neumann. Der Grund für die Verzögerung ist mindestens irritierend: Die Deutsche Rentenversicherung sei mit einer früheren Umsetzung überfordert, heißt es aus dem Bundesarbeitsministerium.

„Eine schwache Begründung“, findet Neumann. „Behörden sollten natürlich so ausgestattet werden, dass Gesetze auch umgehend umgesetzt werden. Stattdessen wird hier ein Gesetz extra so ‚gebaut‘, dass es von der Behörde erst nach zwei Jahren umgesetzt werden muss.“

Bundeszuschüsse gestrichen – ein schwieriges Signal

Nach den Plänen des Bundesarbeitsministeriums sollen für die Jahre 2022 bis 2025 pro Jahr 500 Millionen Euro an Zuschüssen für die Rentenversicherung gestrichen werden. 

„Das ist ein wirklich ungünstiges Signal“, findet Neumann. „Der Minister behauptet einfach, die Unterstützung sein nicht mehr nötig. Die Wahrheit ist: Er braucht das Geld an anderer Stelle – u.a. für das geplante Bürgergeld. Aus unserer Sicht schwindet das Vertrauen in die Politik, wenn sich der Gesetzgeber ausgerechnet an der Rentenversicherung bedient, um andere Ausgaben zu finanzieren.“

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