Chronisches Erschöpfungssyndrom (CFS) und Fibromyalgie als systemische Erkrankungen begreifen!

Sie gelten bislang als in vielen Aspekten ungeklärte Krankheitsbilder, die zwischen den einzelnen Fachdisziplinen hin und her geschoben werden und sozialrechtliche Beurteilungen schwer machen.

BildDas Chronische Erschöpfungssyndrom (CFS) und die Fibromyalgie hatten über viele Jahrzehnte hinweg ein stiefmütterliches Dasein in Medizin und Wissenschaft. Auch Ämter, Behörden und Versicherungen hatten Schwierigkeiten, die komplexen Störungsbilder angemessen zu beurteilen. „Mittlerweile ist man da glücklicherweise ein Stück weiter“, attestiert der Leiter der bundesweit tätigen Selbsthilfeinitiative zu CFS und Fibromyalgie, Dennis Riehle, in einer aktuellen Stellungnahme und stellt fest: „Heute spielt es nicht mehr die zentrale Rolle, woher die Erkrankung eigentlich rührt, sondern welche Beschwerden und Einschränkungen sie verursacht. Damit ist gerade im Blick auf einen jeweils individuell festzustellenden Grad der Behinderung, eine Erwerbsminderungsrente oder Pflegebedürftigkeit ein Paradigmenwechsel geschehen, der prinzipiell viel mehr Möglichkeiten eröffnet, das tatsächliche Leiden des Einzelnen angemessener zu bewerten“, sagt der 37-Jährige, der seit acht Jahren an Fibromyalgie und CFS leidet. Beide Krankheiten sind durch ein diffuses Bild an Beeinträchtigungen gekennzeichnet, gemeinsam sind ihnen jedoch eine Belastungsintoleranz, Erschöpfung und häufig Schmerzen unklarer Ursache. Daneben können weitere Funktionsbereiche eingeschränkt sein, sei es entweder durch psychisch-kognitive Defizite, Magen-Darm-Beschwerden oder Nahrungsunverträglichkeiten, aber auch in Folge von Herz-Kreislauf-Problemen und einer insgesamt ausgeprägten Kraftlosigkeit von Muskeln, vereinzelt Nervenreizungen oder aber entzündeten Sehnenansätzen und empfindlichen Hautarealen. „Letztendlich bleibt bei der Mannigfaltigkeit der Symptome nur die logische Schlussfolgerung, beide Syndrom als systemische Erkrankung zu begreifen und sie nicht als reine Erschöpfungskrankheiten psychovegetativen Ursprungs anzusehen – wenngleich dieser bei vielen Betroffenen eine entscheidende Rolle spielt und nicht zuletzt oftmals im Vordergrund stehen dürfte“.

Die Rechtsprechung geht in aktuellen Urteilen deshalb auch davon aus, dass es einer auf den jeweiligen Einzelfall zugeschnittenen Beurteilung der sozialen Situation des Betroffenen bedarf: „Gerade im Schwerbehindertenrecht zählt die sogenannte ,führende Behinderung‘, welche demjenigen System des Organismus entstammt, das die schwersten und prägenden Symptome einer Erkrankung auslöst. Ein CFS ist folglich parallel zur Schwere der Funktionseinschränkungen und der verbliebenen Teilhabe am Alltagsleben bei vergleichbaren psychischen und/oder organischen Erkrankungen zu beurteilen, welche die Versorgungsmedizinischen Grundsätze in ihrem jeweiligen GdB einordnen. Insbesondere kommen hier Krankheiten des rheumatischen Formenkreises, Schmerzsyndrome, Bewegungsstörungen, Neurasthenien oder Depressionserkrankungen in Betracht, wobei weitergehende Beschwerden analog mit einem zusätzlichen Einzel-GdB zu bewerten sind und hieraus ein Gesamt-GdB als Ausdruck des individuellen Gesundheitszustandes zu bilden ist. Erheblich ist dabei das Funktionssystem, in welchem die führende Behinderung liegt und die damit Ausgangslage zur Festlegung des letztendlichen Grades der Behinderung und die Nachteilsausgleiche ist. Bei Erwerbsminderung und der Pflegebedürftigkeit geht es dann um die Einschränkung, am beruflichen Leben teilzuhaben beziehungsweise seinen Alltag selbstständig führen zu können. Sowohl in der Zuerkennung der Schwerbehinderteneigenschaft, aber auch bei einer etwaigen Feststellung über eine Erwerbsminderung ist es zwingend erforderlich, dass nicht nur das Krankheitsbild vom Facharzt diagnostiziert und anhand der geltenden Klassifikationen untermauert wurde. Viel eher müssen die einzelnen Einschränkungen, die im individuellen Fall mit der ME einhergehen, einzelnen aufgelistet und in ihrer Intensität beschrieben werden. Hierzu eignen sich beispielsweise auch Ziffern aus dem ICD-Diagnoseschlüssel, Kapitel XVIII (Buchstabe R). Die größten Aussichten auf Erfolg können erfahrungsgemäß mit einem ausführlichen Attest eines Facharztes für Orthopädie, Neurologie oder Psychiatrie erzielt werden. In der Bestimmung des Pflegegrades ist vor allem die verbliebene Fähigkeit, die Lebensgestaltung noch eigenständig vornehmen zu können, von Bedeutung. Hierfür kann eine Einstufung in der sogenannten ,Bell-Skala‘ hilfreich sein“, sagt Riehle in seinen Einlassungen abschließend.

Die kostenlose Psychologische und Sozialberatung der Selbsthilfeinitiative ist überregional unter www.erschoepfung-fibromyalgie.de erreichbar.

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