„Die fröhliche Neurose“ – Der Wahnsinn des „Sanatorio Express“ der Kammeroper Frankfurt geht weiter

„Sanatorio Express“, die lebensfrohe finnische „Komische Oper“ in deutscher Übersetzung war ein Spektakel der Kammeroper Frankfurt. Ingrid El Sigai hat jetzt den amüsanten Nachklapp inszeniert.

BildDer „Sanatorio Express“ im Palmengarten Frankfurt, der diesjährigen Heimstätte von Iiro Rantalas komischer Oper, der umjubelten deutschen Uraufführung und der großen Sommerproduktion der Kammeroper Frankfurt, kommt Ende Juli zum Stoppen und das Sanatorio schließt seine Pforten. So war’s geplant, so steht’s am Ende des Librettos.
Nach dem großen Erfolg wäre es aber doch zu schade, alles einfach mit einem doppelten Opera buffa Happy End (zwei glücklich geheilte Paare vereint) aufzuhören, denn: Nach der Neurose ist vor der Neurose! Und es gibt in der Geschichte der Oper reichlich wunderbare, witzige oder dramatische Arien, Lieder und Texte, die ironisch begierig in all die Abgründe der Seele lugen.

Die fröhliche Neurose
Die Fortsetzung beginnt direkt am 2. August (…bis 10.8) wiederum im Palmengarten Frankfurt als „Die fröhliche Neurose“ mit fünf szenischen Konzerten.
Alle gefeierten Sängerinnen und Sänger der Sanatorio-Produktion: Annette Fischer, David Schläger, Cornelia Haslbauer, Alexander Winn u.a. sind hier wieder mit von der Partie – bis auf den Ehemann, der wieder im Schrank verschwunden ist (?). Aber an seiner Stelle singt der langjährige Publikumsliebling der Kammeroper: Thomas Peter.
Die Patientinnen und Patienten des Sanatorio haben nach Ende der Oper neue Neurosen und Spleens entwickelt und verlieben sich stets in den oder die „Falsche“ wie man es aus der Oper und dem „richtigen Leben“ kennt. Die dargebotene Musik kennt man auch, aber sie macht selbst wilde, neurotische Sprünge wie sie nur die Kammeroper Frankfurt komponieren kann. Sie reicht von Macbeth, Fidelio, Ariadne auf Naxos über Kurt Weill bis zum Antivoyeurs-Song „Zuschau’n kann i net“ aus dem „Weißen Rössl“ von Ralph Benatzky. Philipp Hunscha schaut als dichtender, lamentierender und deklamierender Hagestolz zwischendurch nach dem Unrechten, wie es das Publikum liebt.

Ingrid El Sigai inszeniert kunstvoll diese amüsante Fortsetzung des „Sanatorio Express“ – aber eben auf einem anderen Gleis. Am Ende des Spektakels steht ein Lied, das in unseren zerrissenen Zeiten nötiger scheint denn je:
„Ich seh‘, dass sich die Paare gefunden,
dass manche Herzen in Liebe verbunden,
drum lasset uns alle ein grosser Verein
von Schwestern und von Brüdern sein!
Brüderlein, Brüderlein und Schwesterlein,
lasst das traute »Du« uns schenken,
für die Ewigkeit, immer so wie heut,
wenn wir morgen noch dran denken!“
„Brüderlein und Schwesterlein“ von Johann Strauß.

Der große Erfolg der deutschen Erstaufführung der Opera buffa bei den Besuchern und in den Medien war zudem das Regiedebüt von Dzuna Kalnina. Sie machte den „Sanatorio Express“ des international berühmten finnischen Komponisten und Jazz-Pianisten Iiro Rantala, der 2018 in Helsinki von der Finnischen Nationaloper uraufgeführt wurde, zu einem mitreißenden Erlebnis – eine zeitgenössische komische Oper die Spaß machte, ohne den sogenannten „Ernst des Lebens“ zu ignorieren.

Gewöhnlich ist hier nichts.
Im Palmengarten Frankfurt wirkt die „Opera Buffa“ auf alle Sinne. Mitunter singt bei einer Aufführung eine Nachtigall mit dem Libretto um die Wette, oder der sorgenvolle Blick der Zuschauer richtet sich bei dunklen Wolken gen Himmel. Mit sehr guter Akustik und mit einem leidenschaftlichen Ensemble in bester Theaterqualität erlebt man ein Opernfeeling, das insbesondere durch die deutsch-sprachige Inszenierung verzaubert und begeistert.

Zwanglos erlebt der Besucher in einem intimen Rahmen die „Komische Oper“ mit Picknickkorb statt mit Abendtäschchen, opern-unüblich im Freien und inmitten einer Szenerie der Natur. Ein solcher Opernabend im Palmengarten kann leicht zur Einstiegsdroge zu dem Rausch der Opernwelt werden. Dazu trägt auch der, dem Komischen zugeneigte, freche Inszenierungsstil bei – auch wenn sich die Opern-Macher konsequent dem Werk verpflichtet fühlen, weit weg vom sommerlichen Eventtheater oder einem Stadttheater.
Für jede Produktion kommt das Ensemble jeweils neu zusammen, geprobt wird dort, wo gespielt wird: Unter freiem Himmel im Biotop des Palmengarten Frankfurt zwischen Sträuchern, Blumen, Bäumen und Teichen.
Ein Abend, ein Erlebnis, das man auf keinen Fall versäumen sollte.

Wann- Wie – Wo
„Die fröhliche Neurose“ – ein von Anfang bis Ende inszeniertes Konzert
Mit Musik von Franz Lehar, Georg Friedrich Händel, Jacques Offenbach, Richard Wagner, Nico Dostal, Ludwig van Beethoven, Kurt Weil, Richard Heuberger, Ralf Benatzky, Otto Nicolai, Giuseppe Verdi, Emmerich Kalman, Richard Strauss, Carl Millöcker, Johann Strauß, Paul Linke, Henry Purcell und Texten von Friedrich Nietzsche, Kurt Tucholsky, Erik Satie, Klaus Eder, Sokrates, Machiavelli, La Rochefoucauld

Aufführungsort:
Musikpavillon /Orchestermuschel im Palmengarten Frankfurt
Vorstellungen:
jeweils 19:30 h. Bei Regen finden die Aufführungen konzertant statt.
Freitag 2., Samstag 3., Mittwoch 7., Freitag 9., Samstag 10. August 2024, jeweils 19.30 Uhr
Eintrittskarten:
Frankfurt Ticket Tel. 069 13 40 400 und an der Abendkasse
Eingang:
Bockenheimer Landstraße / Palmengartenstraße 11, und Siesmayerstraße 61, 60325 Frankfurt
Weitere Informationen:
www.kammeroper-frankfurt.de

Die Kammeroper Frankfurt e.V.
Geschäftsführung und Künstlerische Leitung: Rainer Pudenz
Leitung:
Ingrid El Sigai (Regie), Nelya Menshchikova (Klavier)
Mitwirkende:
Fischer, Haslbauer, Nomikou, Peter, Schläger, Peter, Winn, Crowe, Meister, Stén, Mathes, Hunscha

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